Die Webseite zum Buch
Guido Landreh
Schule und die Krise der Demokratie – Was sich ändern lässt und wie

„Ein engagiertes und inspirierendes Buch eines erfahrenen Pioniers der Weiterentwicklung von Schule. Landreh macht Schule zu einem lebendigen Ort der Begegnung auf Augenhöhe, an dem es um Vielfalt und Wesentliches, um Freiheit, Verantwortung und Gemeinschaft im Einklang miteinander geht. Das Buch liest sich wie eine Blaupause, wie wir alle politisch und kulturell das Miteinander und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken können. Das geht uns alle an.“
Christoph Klein
[Systemischer Kinder-, Jugendlichen- und Familientherapeut; Lehrender und Supervisor am Zentrum für Systemische Therapie (ZST Berlin) und für das Programm »Kinder aus der Klemme«]
Kultur des Lernens
Das Kerngeschäft der Schule ist nicht der Unterricht,
sondern das Lernen der Schülerinnen und Schüler!
– Wolfgang Edelstein
Was wir fürs Leben lernen – Zeit für einen pädagogischen Kulturwandel
„Das Leben ist doch kein Wunschkonzert.“ Dieses häufige Narrativ beendete abrupt das Gespräch zweier Schwiegereltern über den freudlosen Schulbesuch des Enkelkindes und seine wankelmütige Leistungsbereitschaft. Thema war gleichfalls sein sehr von Gegensätzen geprägtes Denken und Fühlen: ja – nein, entweder – oder, richtig – falsch…
Worte für gefühlte Zwischentöne, für die Akzeptanz von Ambivalenzen und vielfältigen Differenzen aus denen heraus Wertschätzung wachsen kann, fehlten.
In der Schule lernt der Mensch, seine Pflichten zu erfüllen. Aber lernt er so auch, mit Freiheit verantwortungsvoll umzugehen? Begriffe wie „Unterricht“, „Erziehung“, „Fachlernen“, „Stunden- und Lehrplan“ etc. beschreiben den Geist, indem Schule ihren pädagogischen Auftrag in der Regel umsetzt. Pflichterfüllung ist etwas anderes als Verantwortung. Pflichterfüllung ist ein Relikt autoritärer Strukturen und für den juristischen Rahmen von Bedeutung. Die konkrete pädagogische Umsetzung muss sich vor allem an dem Auftrag der Schule wie der individuellen Potentialentfaltung, der Bildung von Wissen, Urteilskraft und Kompetenzen sowie der (sozio-)kulturellen Verantwortung der Schülerinnen und Schüler orientieren.
Verschärfend kommt hinzu, dass Schule als individueller und gemeinschaftlicher Lernort auf einer Skala von 1 bis 6 Leistungen bewertet und selektiert. Das wird auch nicht dadurch besser, dass die Skala zum Teil auf 15 Punkte ausdifferenziert und der früher gebräuchliche Begriff „Zensur“ durch „Note“ ersetzt wurde.
Die Folge: Schule produziert neben Gewinnerinnen und Gewinnern viele Verliererinnen und Verlierer,
– die erforderliche Leistungen nicht erbringen können oder wollen
– oder die geforderte Leistungen erbringen und dafür eigene Wünsche und Ideen aufgeben.
Menschen, die sich nach der Schulzeit als Verlierer und Verliererinnen wahrnehmen, haben wenig Gründe, das zugrundeliegende Gesellschaftssystem zu bejahen. Sie haben gelernt, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Ein Nährboden für populistische Politik. Sie bedient die Unzufriedenheit von Bevölkerungsschichten, die sich gesellschaftlich und wirtschaftlich abgehängt und übergangen fühlen.

Demokratie ist ein Kind von Freiheit und Verantwortung. Auch das wird in der Schule nur unzureichend gelernt. Verantwortung ist die eigene Antwort auf die Bedürfnisse anderer Menschen und lebender Wesen. Mit der Freiheit wächst auch die Verantwortung. Wenn Verantwortlichkeit abgelehnt wird, stirbt gleichermaßen die Freiheit.
– Freiheit eröffnet Möglichkeiten in der Welt,
– Verantwortung setzt diese in Beziehung zu den Möglichkeiten und Bedürfnissen der belebten Welt.
Diese Weisheit gehört zum großen kulturellen Erfahrungsschatz der Menschheit. Freiheit gepaart mit Verantwortung bildet ein Klima des Friedens und der Freude im Bewusstsein lebendiger Verbundenheit.
Wer Freiheit lebt, ohne Verantwortung zu übernehmen, ist in wesentlichen Bereichen ungebildet. Wenn Pädagogik auf Fachlernen, Didaktik und Intervention bei Regelverstößen reduziert wird, kann der schulische Bildungsauftrag nicht erfüllt werden. Das wird zunehmend ein Problem für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnung.
Nach wie vor wird übersehen, in welch hohem Maße die Lern- und Schulkultur einen pädagogischen Rahmen setzt, der die Bildung von Wissen, Werten und Kompetenzen prägt und Chancengerechtigkeit ermöglicht oder schmälert.
Joachim Bauer (2022, S. 119)„Die Resonanzen, die Kinder und Jugendliche in der Schule von ihren Lehrkräften erhalten, sind von überragender Bedeutung. Sie sagen dem Kind etwas über sich selbst und, noch bedeutsamer, über seine Zukunft. Resonanzen haben die Kraft einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, sie öffnen und schließen Möglichkeitsräume.“
Eine Krise kann nicht mit der Denkweise gelöst werden,
die die Krise verursacht hat.
– Diktum von Albert Einstein


