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Kultur des Lernens

Wie es gelingen kann,
aus der Kultur des Unterrichtens eine Kultur des Lernens zu entwickeln

Die Krise von Politik und Gesellschaft spiegelt die Krise der Schulen wider und umgekehrt. Schule verfehlt ihre Ziele nicht nur, sondern befördert durch einengende und nicht mehr zeitgemäße Strukturen teilweise sogar noch ungewollt das, was ihrem Auftrag zuwider läuft. Wenn Chancengerechtigkeit in der Schule fehlt, dann besteht die Gefahr dieses Mangels auch in der Gesellschaft. Dass zum Beispiel die soziale Herkunft vergleichsweise großen Einfluss auf den Bildungserfolg in Deutschland hat, steht für politisches und schulisches Versagen. Statt gegenwärtige und zukünftige Herausfor-derungen zu betrachten und persönliche Potentiale zu fördern, bestimmen nach wie vor Fachleistungen und Stundentafeln über Schulabschlüsse.

Die Bildung demokratisch mündiger Bürgerinnen und Bürger gehört zum zentralen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen:

„[…] Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten. […]“

Schulgesetz für das Land Berlin vom 26. Januar 2004 in der Fassung vom 27.09.2021, § 1 Auftrag der Schule

Dieses Ziel wird großenteils verfehlt. Ein überholtes Verständnis von Schule und Unterricht gefährdet zunehmend unsere Demokratie. So können dort kaum Kompetenzen und Werte entwickelt werden, die die Voraussetzung für eine lebendige, freiheitliche und demokratische Kultur sind. Bereits im April 2016 forderte der Bundeselternrat auf seinem Fachkongress „Welche Bildung braucht unsere Gesellschaft?“ eindringlich:

Selbstbestimmtes Leben als Ziel von Bildung – Was müssen unsere Kinder heute lernen?

[…] Die aktuellen Diskussionen um immer neue Fächer, Ganztag, Inklusion und die Integration von Flüchtlingen darf nicht von der Grundproblematik des fortschreitenden Verlustes von Werten in der Gesellschaft ablenken. Gerade in solchen Zeiten ist eine durchgängige Demokratieerziehung und die Debatte über unsere Werte von überragender Wichtigkeit.

Gemeinsam wollen wir ein Umdenken in unserer Gesellschaft voranbringen und wir erwarten ein Handeln seitens der Politik um auch für die kommenden Generationen ein demokratisches und selbstbestimmtes Leben sicher zu stellen.“

Resolution Bundeselternrat 2016
Illustration: Micha Strahl

Nach wie vor wird übersehen, in welch hohem Maße die Lern- und Schulkultur einen pädagogischen Rahmen setzt, der an der Bildung von Wissen, Werten und Kompetenzen beteiligt ist und Chancengerechtigkeit ermöglicht oder schmälert.

„Die Resonanzen, die Kinder und Jugendliche in der Schule von ihren Lehrkräften erhalten, sind von überragender Bedeutung. Sie sagen dem Kind etwas über sich selbst und, noch bedeutsamer, über seine Zukunft. Resonanzen haben die Kraft einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, sie öffnen und schließen Möglichkeitsräume.“

Joachim Bauer (2022, S. 119)

Das erfordert nicht nur, den Unterricht zu entwickeln, sondern die Lernkultur selbst zu verändern. Denn diese hat eine unmittelbare pädagogische Wirkung. Kinder und Jugendliche müssen ausreichend Raum und Freiheit bekommen, um eigenen Ideen zu folgen und nicht nur – meist vorgegebene – Ziele zu verfolgen. Schule muss die Kultur des Unterrichtens, die versucht zu steuern, was gelernt wird, zurückstellen, zugunsten einer Kultur des Lernens, die die Interessen und Potentiale der Schülerinnen und Schüler wahrnimmt und fördert. Hierbei ist das zentrale Anliegen, wie persönliche und gemein-schaftliche Lernprozesse vereinbart und konstruktiv gestaltet werden können. Ohne ein zeitgemäßes Verständnis von Schule, ohne eine kreative und freudvolle, soziale und verantwortliche, wertschätzende und inspirierende Schulkultur, die persönliche und gemeinschaftliche Potenziale wahrnimmt und fördert, kann auch die gesellschaftliche Krise nicht bewältigt werden.

Allerdings müssen in diesem Zusammenhang gleichfalls die Politik und damit verbunden die Schulaufsicht den überbordenden Regulierungswillen aufgeben. Denn Planwirtschaft erzeugt Mangel, das gilt im übertragenen Sinne auch für Bildung und Schule. Gesetzte Ziele und insbesondere die Erfüllung des übergeordneten Auftrags würden so weiterhin verfehlt werden.