Die Zahl der Schulabgänge ohne Hauptschulabschluss ist weiter angestiegen

Der eigentliche Skandal ist aber nicht allein die Zahl der Schulabbrecher*innen, sondern ein Bildungssystem, das in großer Zahl Schülerinnen und Schüler als „Gewinner*innen oder Verlierer*innen“ entlässt.

Im Jahr 2023 gab in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 3,7 Millionen Menschen ohne Schulabschluss und 16,9 Millionen mit einem Hauptschulabschluss. (Destatis 2024) Das ist bei einer Bevölkerungszahl von rund 84 Millionen Menschen knapp ein Viertel der Bevölkerung.

Im selben Jahr besuchten 8,7 Millionen Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule (Destatis, 15.03.2023), 784.620 verließen diese zum Ende des Schuljahres. Davon beendeten 55.708 (7,1 %) Schülerinnen und Schüler die Schulpflicht ohne Hauptschulabschluss (Statista 2024) und 131.101 (16,7 %) mit einem Hauptschulabschluss. (Destatis, 24.10.2024) Nach wie vor ist dies fast ein Viertel der Abschlussjahrgänge.

Der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt: 338.171 (43,1 %) Schülerinnen und Schüler verließen die Schule mit einem mittleren Schulabschluss und 259.709 (33,1 %) mit dem Abitur. (Ebenda) Der Schulerfolg hängt dabei wesentlich von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler ab. Auch das ist ein Skandal. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes stellten das Schulsystem unter die Aufsicht des Staates, um Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten. Wenn Chancengerechtigkeit in der Schule fehlt, entwickelt sich früh nicht nur ein persönliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem.

Zur Einordnung dieses Themas sei hier der Historiker Yuval Noah Harari zitiert:

»Geschriebene Sprache galt ursprünglich als bescheidene Möglichkeit zur Beschreibung der Wirklichkeit, doch nach und nach entpuppte sie sich als wirkungsvolle Methode, um die Realität umzumodeln« (Harari 2021, S. 261). […] »Zahlreiche weitere Beispiele dafür, wie sich die Wirklichkeit den Akten beugen muss, bietet unser modernes Bildungssystem […] Als Schulen damit begannen, Menschen anhand von Noten in präzisen Ziffern zu bewerten, veränderte sich das Leben von Millionen Schülern und Lehrern dramatisch. Noten sind eine relativ neue Erfindung. […] Erst die Massenbildungssysteme des Industriezeitalters begannen damit, regelmäßig exakte Noten zu vergeben. […] Von nun an beurteilten sie den Wert jedes Schülers nach seiner oder ihrer Durchschnittsnote, während der Wert jedes Lehrers und Rektors sich am Gesamtdurchschnitt der Schule bemaß. Kaum hatten Bürokraten diesen Maßstab übernommen, wurde die Wirklichkeit entsprechend umgestaltet. […] Natürlich waren die Schulen schon bald darauf bedacht, gute Noten zu bekommen. […] Wenn die Schulen vor der Wahl stehen – gute Noten oder solides Wissen –, werden sich die meisten für Ersteres entscheiden« (ebd., S. 265 f.).